20 Jahre Apfelsaft von KOHL!

Viel Apfelsaft ist die Kehlen hinuntergeflossen, seit ich mit Thomas Kohl zusammenarbeite. Selten erlebt man es so hautnah: Wie eine Idee auf die Beine kommt und laufen lernt. Wie sich aus einem einzigen Satz eine Vision entwickelt: Was wäre, wenn wir mit Apfelsaft so umgehen wie mit Wein?

Trauben und Äpfel: Beide gehören zu Südtirols Identität. Apfelbäume stehen in beinah jedem Garten, auch Trauben kultivieren viele. Wie Trauben und Äpfel verarbeitet werden – dort liegt noch immer der große Unterschied. Und genau diese Lücke hat Thomas Kohl von Beginn an interessiert und motiviert.

Ein Gespräch zum Zwanziger.

 

Herzliche Gratulation zum 20. Geburtstag! Wie fühlt es sich an, auf zwei erfolgreiche Jahrzehnte zurückzublicken?

Thomas Kohl: Die 20 Jahre überraschen mich selbst. Ich frage mich: Wie ist das gegangen? Wie habe ich es geschafft, meine Idee Wirklichkeit werden zu lassen? Und natürlich empfinde ich große Freude und Dankbarkeit.

Werfen wir doch einen Blick zurück. Wie kam es zum Obsthof Kohl?

Dass ich den Hof übernehmen sollte, war geplant. In jungen Jahren war ich viel in der Welt unterwegs. Dann kam der Zeitpunkt, als ich Wurzeln schlagen wollte. Ich war am Hof aufgewachsen, hatte immer geholfen und kannte die Arbeit und die Abläufe gut.

Mir stand der Sinn aber nach Veränderung. Ich wollte etwas Neues schaffen und bekam bei der Hofübergabe die Gelegenheit dazu. Was ich wusste: 8.000 Produzenten in Südtirol liefern ihre Äpfel an die Genossenschaften. Landet ein Apfel dort, kann man nicht mehr nachvollziehen, was damit passiert.

Warum nicht einfach Äpfel selbst anbauen und alle in der Presse zusammenwerfen?

So wird es üblicherweise gemacht. Ich machte mir den Spaß und verglich Apfelsäfte unterschiedlicher Sorten miteinander. Im Weinbau gibt es Weine aus einer einzigen Sorte, und es gibt Cuvées. – Äpfel so zu behandeln wie Wein, das war die zündende Idee.

Du trennst nach Sorten, das war vollkommen neu. Was hast du noch anders gemacht?

Traditionell wurden Äpfel zu Saft gepresst, die als Tafelapfel nicht geeignet waren, vor allem der Größe und der Optik wegen. Also als Resteverarbeitung.

Mir war bewusst, dass ich in den absoluten Qualitätsbereich will. Resteverarbeitung ist dafür indiskutabel. Nur die besten, voll ausgereiften Früchte werden bei mir zu Apfelsäften verarbeitet. Größe und Optik sind nicht ausschlaggebend, mich interessieren die Aromen und die Struktur eines Saftes.

Das klingt nach einem innigen Verhältnis zu deinen Äpfeln.

Richtig! So fühlt es sich auch an: Meine Äpfel bekommen viel Zuwendung, vieles machen wir von Hand. Und jede Sorte hat unterschiedliche Bedürfnisse. Die Bindung zum Produkt war mir von Beginn an wichtig.

Du hast dann das Produkt Apfelsaft weiterentwickelt. Was war die größte Herausforderung?

Beim Apfelsaft konnte ich auf Vorwissen aufbauen. Wenig wusste ich allerdings von Verkauf und Marketing. Familie und Freunde waren rasch mit Saft versorgt, ich hatte investiert, und es war klar: Ich muss mit dem Saft hinaus in die Welt.

Was waren die nächsten Schritte?

Meine Säfte sind besonders. Man muss verstehen: Es gibt 2.000 Apfelsorten, fünf bis zehn davon sind allgemein bekannt. Die meisten Menschen unterscheiden nicht wirklich. Ich musste Aufklärungsarbeit leisten und das Niveau meiner Säfte auch nach außen kommunizieren.

Zusammen mit einer Agentur wurde ab 2010 eine visuelle Linie entwickelt, dazu passend die durchsichtigen Glasflaschen mit edlen Etiketten, hochwertige Verpackungen, ein Webauftritt und vieles mehr. Damit stiegen die Sichtbarkeit und die Bekanntheit.

Nach den sortenreinen Apfelsäften kamen Cuvées ins Programm.

Zunächst war es mir wichtig, mit den einzelnen Apfelsorten zu arbeiten. Äpfel und entsprechend auch Apfelsäfte bringen einen Aromenfülle mit, die mit Trauben und Wein vergleichbar ist.

Cuvées sind eine Herausforderung: Es geht um eine feine Abstimmung von Süße, Säure, Mundgefühl und Struktur. Der Apfelsaft ist für letztere verantwortlich, bildet also die Basis, umrahmt die zweite Komponente. Die beiden reagieren aufeinander, was ziemlich spannend sein kann.

Erzählst du uns von einem missglückten Versuch?

Natürlich klappt nicht alles, was wir ausprobieren. Himbeeren wären ja naheliegend, denn sie wachsen bei uns und sind einfach zu bekommen. Sie sind aber sehr delikat und kaum haltbar, Saft aus Himbeeren oxidiert zudem stark und sieht dann nicht mehr appetitlich aus. Also gibt es keine Cuvée mit Himbeeren.

Du sagst selbst, dass du sehr auf das Produkt fokussiert warst, produktverliebt sogar. Bei der Vermarktung kam aber eine andere Strategie dazu.

Richtig. Ich widmete mich der Entwicklung von sortenreinen Säften und der Komposition von Cuvées mit Säften aus anderen Früchten, aus Kräutern, Beeren und Gemüse mit großer Hingabe.

Wer diese Säfte wann trinken soll und kann – das war die nächste Überlegung. Konsequent war es, das Thema Speisenbegleitung durchzudenken. Schließlich geht es auch bei Wein darum, warum nicht ebenso bei meinen Säften. Ein Thema, das für uns extrem wichtig geworden ist.

Nach den 750 ml Flaschen kamen die Minis und dann die Magnums.

Die durchsichtigen 750 ml Flaschen waren der erste Schritt und damals ungewöhnlich. Apfelsaft kannte man in der grünen Literflasche. Dann kam aus der Gastronomie die Nachfrage nach kleinen Flaschen als Monoportionen für alle möglichen Zwecke.

2017 stießen die großen Flaschen zur Familie. Alte Apfelsorten hatten mich immer interessiert, und ich machte laufend Versuche. Aus Wintercalville und Ananasrenette konnte ich schließlich exzellente Säfte pressen. Mit der großen Flasche und der wunderschönen Verpackung geben wir diesen beiden Grand Cru einen angemessenen Rahmen.

Der Dry January liegt gerade hinter uns. Wie siehst du das Thema Genuss ohne Alkohol?

Es liegt im Trend. Immer mehr Menschen schätzen die Vielfalt und entscheiden je nach Situation, was sie trinken möchten. Mit unseren Apfelsäften und den genialen Cocktails, die sich daraus kreieren lassen, eröffnen wir neue Möglichkeiten.

Verschiedene Länder, verschiedene Geschmäcker – ist das so?

Definitiv, die Verkaufszahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Zum Beispiel Italien: Apfelsaft wird nicht sehr nachgefragt. So habe ich für diesen Markt einige Produkte entwickelt, wie Cuvées mit dort beliebten Früchten.

Die Produkte funktionieren, der Vertrieb steht – was sind jetzt deine Pläne?

In der Landwirtschaft ist jedes Jahr ein neues Spiel. Die Natur stellt uns stets vor Herausforderungen. Daneben geht es mir darum, meine bestehenden Säfte immer weiter zu verfeinern, sie immer edler und eleganter zu machen.

Mir geht es bei allem – auch bei der Sortenvielfalt – nicht um ein MEHR, sondern um ein BESSER. So gibt es nicht immer neue Sorten, eher werden manchmal welche ausgetauscht.

Wohin reisen die Kohl Apfelsäfte mittlerweile?

In Europa sind wir mittlerweile in vielen Ländern vertreten. Die Nachfrage aus Japan, Südkorea und Taiwan nimmt zu, und der Schritt in den US-amerikanischen Markt wird gerade vorbereitet.

Was mich entzückt: Letztes Wochenende war ich am Gardasee. In einer Bar höre ich eine junge Frau, die sich freut, weil sie Apfelsaft von Kohl bestellen kann.

Was hat sich in 20 Jahren Landwirtschaft verändert?

Wer mit der Natur arbeitet, achtet besonders auf Veränderungen. Unsere Äpfel wachsen am Ritten, hoch oben am Berg. Wenn die Sommer wärmer werden, ist das für uns noch kein Problem. Was uns sehr wohl beschäftigt, ist das Wasser. Niederschläge werden merkbar weniger, wir müssen weit mehr eingreifen als früher.

Was geblieben ist, sind die herbstlichen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Sie sind wichtig für die letzte Phase der Reife, bevor wir mit der Ernte beginnen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!