Flower Power im Apfelgarten

Das Blütenmeer im Apfelgarten ist umwerfend. Noch erinnere ich mich an die kahlen Äste, die nichts von dem Leben ahnen ließen, das in ihrem Inneren angelegt war. Ab Mitte April strahlen die Blüten in lebensfrohen Farben mitten hinein in den Südtiroler Himmel. Was mir unbegreiflich ist: Bis zum Herbst werden aus den Blüten die wertvollen Bergäpfel entstehen.

Tief beeindruckt von der Schönheit und dem Wunder des Lebens, das sich hier ereignet, möchte ich mehr verstehen. Ich frage Thomas Kohl nach Bienen, Blüten, Biologie.

Der Blüten-Countdown. Beim Apfelbaum ist es so, dass sich vor den Blüten die Blätter entfalten. Im „Mausohrstadium“, ca. drei Wochen vor der Blüte, entfalten sich zwei kleine Blätter, der Blütenstand sieht dann aus wie ein Mausköpfchen mit zwei Ohren.

Zwei Wochen vor der Blüte beginnen sich die grünen, geschlossenen Knospen voneinander zu lösen – das „Grünknospenstadium“. Wenn es noch etwa zehn Tage bis zur Blüte dauert, werden die Blütenstiele sichtbar und länger, und die grünen Kelchblätter, die die Blüten umschließen, sind leicht geöffnet. Die Blütenblätter werden immer besser sichtbar, und die Kelchblätter treten zurück. Das „Rotknospenstadium“ ist erreicht.

Wenn die Knospen rund und prall wie ein Bällchen sind, ist die Blüte im „Ballonstadium“, und es wird noch etwa zwei Tage bis zur vollen Blüte dauern. Die Bällchen brechen auf, die Blütenblätter entfalten sich. Voilá!

Biene oder Hummel? Ohne Bienen keine Äpfel, ganz einfach. Andere Insekten helfen mit, aber Bienen leisten die Hauptarbeit bei der Bestäubung. Außerdem braucht es Pollen einer anderen Apfelsorte für eine erfolgreiche Befruchtung, Apfelbäume können sich selbst und ihresgleichen nicht bestäuben.

Ein Apfelbauer muss also Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bestäubung schaffen. Wichtig ist Sortenvielfalt in räumlicher Nähe und der Besuch vieler Bienen. Besonders Honigbienen sind aufgrund verschiedenster Eigenschaften dafür geeignet. So sind sie zum Beispiel in der Lage, die Qualität der Pollen zu erkennen und transportieren nur keimfähige Pollen zur Eizelle.

Wildbienen und Hummeln haben längere Körperhaare und können nur halb so viele Pollen auf die Narbe drücken wie Honigbienen.

Blick in den Himmel. Zur Zeit der Apfelblüte ist Thomas Kohl besonders auf das Wetter fokussiert. Eine Frostnacht kann schließlich die gesamte Ernte zerstören.

Zwei spezielle Bedingungen hier heroben auf etwa 1.000 Metern Meereshöhe helfen uns aber: Weil es kühler ist, beginnt die Blüte später im Frühling, und damit sinkt die Gefahr für Frostnächte. Unsere Apfelgärten sind fast alle in Hanglage. Anstrengend in der Pflege und Bearbeitung, herrlich für die Bäume, weil jeder einzelne viele Sonnenstrahlen bekommt. Und Frost hat die Tendenz, nach unten zu fließen und sich im Tal „niederzulassen“.

Sollte dennoch eine Frostnacht drohen, greift Thomas Kohl zu Wärmekerzen und erhöht damit die Temperatur so weit, dass es die Blüten bis zum Sonnenaufgang schaffen und erhalten bleiben.

Weniger ist mehr. Apfelbäume sorgen selbst dafür, dass überzählige Blüten abfallen und minimieren so die Anzahl der Früchte. Eine entscheidende Arbeit für die spätere Qualität der Äpfel ist aber das händische Ausdünnen der Früchte im Juni. So stellt Thomas Kohl mit seinen erfahrenen Leuten sicher, dass alle Äpfel genug Luft, Licht, Wasser und alle Nährstoffe bekommen, um sich zur Bestform zu entwickeln.

Und das ist erst der Anfang. Der Weg bis zum Herbst ist noch weit. Viel muss, kann und wird in den Apfelgärten von Thomas Kohl am Ritten noch passieren. Auch im Herbst 2022 wird es Äpfel geben, wie viele und wie aromatisch die einzelnen Sorten sind, weiß heute niemand.